Jäger und Gejagte

Nyx Smith

Heyne 1996

427 Seiten

14,90 DM

Tikki, die Tiger- Gestaltwandlerin, ist sauer, denn ein Trupp hinterhältiger Elfen hat ihr Junges geraubt (ja, die Begegnung mit Kollege Raman hatte wohl Folgen). Da dieses Junge im Augenblick das Einzige ist, wofür sie sich interessiert, macht sie sich sofort auf die Suche nach dem kleinen, gestreiften Ding. Wie aber findet man ein paar Durchschnittselfen im Großstadtdschungel, und wieso will überhaupt jemand IHR Junges?

Amy Berman hat ebenfalls Probleme: Ihre Firma bekommt Besuch von den Buchprüfern der japanischen Muttergesellschaft, und wie sollte es anders sein - die Materialbeschaffung scheint Murks gemacht zu haben. Wer kauft von ohnehin schon nur spärlich vorhandenen Firmengeldern sündhaft teure Drachenschuppen und ähnliche Exotika, und was hat der freundliche Dr. Phalen von der Forschungsabteilung auf dem Kerbholz?

Bryan, der Mann vom Abwasseramt, kriegt sowohl einen ökologisch wertvollen Auftrag als auch einen neuen Partner zugeteilt. Was aber mag die Tatsache bedeuten, daß sein Kollege ein Handgranatenfanatiker ist, und wieso war Bryans Qualifikation als Scharfschütze der entscheidende Faktor bei seiner Zuteilung zur Abwasserkanalkontrolle?

Ja, Fragen über Fragen, aber keine Angst: die werden vom Autor im Laufe der Geschichte alle nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Nyx Smith, der sich offenbar ein Späßchen daraus macht, lose Enden und kleine Nebensächlichkeiten aus vorangegangenen Werken aufzugreifen und in haarsträubende aktuelle Ereignisse münden zu lassen, legt mit "Jäger und Gejagte" seinen bislang befriedigendsten Shadowrun- Roman vor. Dieses Buch ist aber nicht nur logisch, erzieherisch wertvoll und ziemlich spannend, es hat auch seine komischen Elemente. In dieser Hinsicht ist Smith mit der Figur eines Forschungsmagiers der absolute Abschuß gelungen - wer würde ihn nicht gerne als Untermieter haben wollen, den liebenswürdigen, theatralischen, zutiefst um das Wohl seiner todkranken Gattin besorgten und stets von reichlich pathetischen Geistern umschwirrten Dr. Phibes - äh, Dr. PHALEN natürlich (ich Dummerchen). Phalen heißt der Mann also, und ich habe schon lange nicht mehr so sehr über einen Romancharakter gelacht (Frage an den Autor: Wo ist die verdammte Hammondorgel mit der rosa Plastikverschalung?).

Der einzige Wermutstropfen in der gesamten Angelegenheit ist, daß ich mich immer noch frage, was mit den Jungs vom Abwasseramt eigentlich PASSIERT ist, aber wenn Smith seinem Prinzip, nichts unerklärt zu lassen, treu bleibt, werde ich es spätestens in seinem nächsten Shadowrun- Roman erfahren.

Fazit: Klasse, komisch und weit weniger ätzend und Leibschmerzen verursachend als andere Shadowrun Romane. Also: kaufen.

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