Shadowrun

Shadowrun ist wohl das Spiel in diesem Sektor, an dem sich die Geister scheiden. Ist es nun Cyberpunk oder nicht? Was diese Kontroverse hervorgerufen hat, ist, daß es eigentlich eine Mischung aus Cyberpunk und Fantasy ist. Die Story, die Shadowrun zugrunde liegt, ist, daß gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Gesellschaftsstruktur der Welt vor die Hunde zu gehen beginnt und die Regierungen diese Entwicklung nicht eigenständig aufhalten können. Deshalb treten Wirtschaftkonzerne immer mehr an die Stelle der Regierungen, was jedoch auch wieder zu Unruhen führt. Außerdem werden in den USA die Indianer wieder verstärkt unterdrückt und, nachdem sie sich zur Wehr setzten und dabei beinahe einen Nuklearkrieg ausgelöst hätten, in "Umerziehungsheime" verschleppt. Ab dem Jahre 2011 beginnt sich die Welt dann endgültig zu verändern. Zuerst wird ein großer Teil der Menschheit durch einen neuen Virus ausgelöscht. Im selben Jahr beginnt dann zudem noch das "Erwachen". Dieses Phenomän hat zur Folge, daß normale Menschen plötzlich Mutanten gebären, die Zwerge oder Elfen sind. Außerdem wird in Japan am 24. Dezember, an dem auch ein Indianerführer namens Daniel Howling Coyote viele seiner Landesgenossen aus einem Erziehungscamp führt, ein Drache gesichtet.

Howling Coyote tritt erst vier Jahre nach seiner Flucht wieder an die Öffentlichkeit, um zu verkünden, daß alle Nichtindianer den nordamerikanischen Kontinent verlassen müssten, da er sie sonst vernichten würde. Zur selben Zeit bricht der Berg Redondo aus. Coyote behauptet, daß er diesen Ausbruch verursacht hätte. Die US Regierung nimmt diese Drohung jedoch nicht ernst und schickt eine Militäreinheit aus, um den Indianerführer gefangen zu nehmen. Dieser Angrif scheitert jedoch, da der gesamte Verband durch plötzlich auftretende Tornados vernichtet wird.

Im Lauf der Jahre schaffen es die Indianer, einen eigenen Staat, der den größten Teil Nordamerikas bedeckt, zu gründen.

Im Jahr 2021 wird die Erde dann durch eine neue Runde des "Erwachens" erschüttert. Diesemal entstehen jedoch keine Zwerge und Elfen, sondern Orks und Trolle. Diese neuen Rassen führen dazu, daß es zu rassistischen Unruhen auf der ganzen Welt kommt...

Im Jahr 2029 wurde die Welt dann durch einen Computervirus getroffen, der die gesamte Weltwirtschaft lahmlegte, indem er fast alle Datenbanken zerstörte. Diesem Killerprogramm wurde im Lauf der Jahre eine Spezialeinheit von Hackern entgegengesetzt, die mit neuartigen Computern ausgerüstet ist. Diese Computer sind direkt mit dem Nervensystem des Benutzers verbunden und können dadurch sehr viel effektiver und schneller eingesetzt werden. Die Hacker, die hier Decker genannt werden, konnten den Killervirus besiegen. Jedoch gingen einige dieser Helde wieder in das Zivile leben zurück und brachten so ihr Wissen über diese neuen Computer auf die Straße...

Außer den in dieser kurzen Zusammenfassung geschilderten Vorgängen geschahen noch viele weiter Änderungen auf der Erde, bis die Geschichte schließlich im Jahr 2053 endet, indem die Spieler mit ihren Abenteuern beginnen können.

Charaktererschaffung

Bevor man mit dem Spielen beginnen kann, muß sich jeder Spieler, wie in so jedem (glaube ich mal) Rollenspiel einen Charakter erschaffen.

Dies geht in Shadowrun nach einem sogenannten Prioritätensystem. Hierbei muß der Spieler fünf Prioritäten verschiedener Höhe auf fünf verschiedene Gruppen verteilen. Diese Gruppen sind die Rasse, Magiefähigkeit, Attribute, Fertigkeiten und Ressourcen. Je höher die Priorität ist, die man auf eine Gruppe vergibt, um so besser ist das Ergebnis, das der Charakter erhält; so muß man zum Beispiel - um ein vollwertiger Magier werden zu können - die höchste Priorität auf die Magie vergeben.

Hat man dies getan, vergibt man die Punkte, die man für die Attribute und Fertigkeiten so erhalten hat, gibt sein Geld für Ausrüstung aus und stattet den Charakter, falls er über Magie verfügt, mit Zaubersprüchen verschiedener Stärke aus. Bei den Attributen muß man darauf achten, daß diese durch die gewählte Rasse manchmal verändert werden. Ist dies alles getan, müssen nur noch ein paar abgeleitete Attribute (Initiative, Essenz, ...) berechnet werden und schon ist der Charakter fertig.

Dies hört sich zwar sehr einfach und schnell an, kann sich aber besonders bei Anfängern sehr lang hinziehen (Ich habe es schon erlebt, daß eine Charaktererschaffung mehrere Stunden dauerte), da es recht vielfältige Möglichkeiten gibt, wie man seinen Charakter gestallten kann. Man kann bei der kybernetischen und biologischen Aufbereitung seines Charakters zum Beispiel zwischen mehr als 70 verschiedenen Implantaten wählen.

Den großen Nachteil, den ich in einem Erschaffungssystem, das mit Prioritäten arbeitet, sehe, ist, daß irgendwann immer wieder die "gleichen" Charaktere erschaffen werden, da es für jede Charakterklasse einfach bessere und schlechtere Anordnungen der Prioritäten gibt. Außerdem bringt ein solches System die Gefahr mit sich, daß nur noch perfekte Charaktere durch die Straßen wandeln.

Charakterbeschreibung

Auch in Shadowrun werden die "inneren Werte" des Charakters durch seine Attribute und seine Fertigkeiten beschrieben, wohingehend auf die äußere Erscheinung durch das Regelsystem wenig, wenn sogar überhaupt nicht eingegangen wird. Die Farbe der Haut, Haare und Augen, die Größe und das Gewicht usw. kann der Spieler für seinen Charakter selbst bestimmen, wogegen ja auch nichts einzuwenden ist, jedoch hätten die Spieldesigner vielleicht öfters und genauer darauf eingehen sollen, inwieweit sich zum Beispiel Cyberimplantate auf das Erscheinungsbild und das Gewicht usw. auswirken.

Im Großen und Ganzen kann man jedoch sagen, daß ein Charakter durch die Attribute (Statur, Schnelligkeit, Stärke, Charisma, Intelligenz, Willensstärke) recht gut vorstellbar wird. Man muß sich eben nur selbst noch ein paar Gedanken machen. Und denken ist ja nicht ungesund...

Spielmechanismen

Fertigkeiten & Probendurchführung

Den Machern von Shadowrun muß man sehr hoch anrechnen, daß sie in ihrem Spielsystem endlich einmal neue Mechanismen zur Durchführung von Fertigkeitstest und Ähnlichem einführten. Hier wird nämlich nicht mehr mit einem W (irgendwas) höher oder niedriger als irgendeine Zahl gewürfelt, sondern man würfelt mit einer Anzahl von W6 (die manchmal so hoch wird, daß man gerne Besitzer einer W6- Fabrik wäre) gegen eine Wert. Der Erfolg der Probe hängt dann von der Anzahl der Würfel ab, die die geforderte Zahl überwürfelt haben oder zumindest gleich hoch sind. Dies hat den Vorteil, daß man zum Beispiel recht einfach feststellen kann, wie schnell ein Charakter etwas vollbrachte. Hierzu ist dann eine Grundzeit angegeben, die angibt, wie lange man normalerweise brauchen würde. Diese Zahl teilt man dann einfach durch die Anzahl der Erfolge, et voila... schon weiß man, wie lange man ( oder auch frau) gebraucht hat.

Der Nachteil dieses Testsystems ist, daß es für den Spielleiter eigentlich recht schwer ist, die Schwierigkeit einer Probe einigermaßen gut festlegen zu können. Wenn der Spielleiter dies genau machen möchte, sollte er schon ein Meister der Wahrscheinlichkeitsrechnung sein. Aber was solls, es muß ja auch nicht immer ganz genau sein.

Was eine sehr gute Idee der Shadowrunerfinder war, ist die Einführung eines Fertigkeitennetzes. Mit Hilfe dieses Netzes ist es möglich, daß ein Charakter, der eine bestimmte Fertigkeit nicht hat, trotzdem eine Probe machen darf, die dann den gleichen Effekt hat, nur daß diese Probe gegen ein verwandtes Attribut oder eine ähnliche Fertigkeit gemacht wird und eine ganze Menge schwerer wird.

Das einzige, was ich am Fertigkeitensystem von Shadowrun ein wenig schade finde, ist, daß alle Fertigkeiten, sobald ein Charakter darüber verfügt, völlig unabhängig von den Attributen des Charakters sind. Hierdurch wird es dann zum Beispiel möglich, daß ein Charakter, der eine absolut lausige Reaktion hat, ein genau so guter Rennwagenfahrer wird, wie einer, der eine Reaktion so schnell wie der Wind hat.


Der Kampf

Das Kampfsystem von Shadowrun ist eigentlich ganz nett geraten. Die Regeln sind einfach, zumindest meistens, und decken fast alles, was ein Charakter tun möchte, ab.

Es handelt sich um ein System, das vollständig auf Aktionen ausgelegt ist. Jeder Charakter kommt, in sofern er nicht ohnmächtig ist, mindestens einmal in einer Kampfrunde, die in Echtzeit so um die drei Sekunden lang wäre, an die Reihe. Wenn ein Charakter dran ist, kann er seine Aktionen wählen, von denen er bis zu drei machen darf, was nur von der Komplexität der Handlung abhängt. Aktionen sind Sachen wie z.B. ein Magazin wechseln, wild durch die Gegend schießen, Zaubern, etwas sagen, usw.

Der Kampf an sich funktioniert dann nach dem gleichen System wie die Fertigkeitsregeln. Ein Charakter greift an und würfelt eine Anzahl W6, um seinen Gegener zu treffen. Gelingt dies, wird anhand der Erfolge bestimmt, wieviel Schaden der Getroffene abbekommt. Dieser Schaden wird dann durch die Panzerung des Getroffenen und durch einen Rettungswurf abgeschwächt. Dadurch können dann manchmal etwas seltsame Ergebnisse entstehen (Charakter A trifft B und macht einen tödlichen Schaden. Charakter B fängt die Kugeln mit seinem Körper auf, ist aber so stark, daß sie einfach von seiner Haut abfallen, so daß er nichteinmal einen kleinen Kratzer davon trägt. Pech für Charakter A!).

Obwohl dem Kampfsystem etwas der Realismus fehlt (Juchhe, ich habe den Schuß der Sturmkannone (Explosivgeschosse) überlebt...), hat es gegenüber vielen anderen Systemen den Vorteil, daß es sehr schnell geht. Man muß sich hier nämlich zum Glück meist nicht stundenlang mit Kämpfen aufhalten, wo man doch in der Zeit so wunderschönes Rollenspiel hätte machen können. Also, wer es schnell, dafür nicht ganz realistisch haben möchte, ist damit gut bedient.

Die Magie

Jetzt sind wir bei dem Thema, das Shadowrun das Besondere in diesem Genre gibt. Die Magie.

Das Magiesystem von Shadowrun ist eigentlich sehr gut gelungen. Man hat als Spieler sehr viele Möglichkeiten, was man tun möchte. So kann man zum Beispiel erst einmal die Art seiner Magie bestimmen, wobei man die Wahl zwischen hermetischen Magiern - die mit den dicken Büchern -, Schamanen - das sind die, die wild durch die Gegend tanzen, bevor sie Zaubern -, Beschwörern, reinen Zauberern, Kampfkünstlern und anderem hat. Wem das noch nicht genug ist, der kann seinen Magier (oder was er sich gewählt hat) mit vielen verschiedenen Fähigkeiten und Zaubersprüchen ausstatten.

Im Magiesystem selbst sind dann Sachen wie eben Zaubern (logisch, oder?), Beschwörung von Geistern und Elementaren und Wanderungen im Astralraum geregelt. Der Astralraum ist ein Art Parallelebene zu der, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können. In diesem Raum, in dem man die magischen Ströme und Geister sehen kann, können Magier und Zauberer ihren Geist vom Körper lösen und auf astrale Reisen gehen.

Eine letzte Sache, die mir am Shadowrunmagiesystem positiv aufgefallen ist, ist, daß Regeln zum Erfinden von neuen Zaubersprüchen angegeben sind, so daß jeder Magier, der über die entsprechende Fertigkeit verfügt, neue Sprüche einführen kann, die er natürlich vom Spielleiter absegnen lassen sollte.

Abschließend kann man über das Magiesystem sagen, daß es meiner Meinung nach so gut ist, daß sich einige Fantasy spiele, die ja eigentlich gute Magieregeln bieten sollten, etwas davon abschneiden könnten.

Virtual Reality - Die Matrix

Tja, das ist nun der Punkt, an dem Shadowrun bei mir einen sehr großen Minuspunkt erhält. Die Matrix, so nennt sich das internationale Computernetz, ist zwar sehr schön beschrieben (das heißt, man kann es sich sehr gut vorstellen, was ein Charakter sieht, wenn er sich mit dem Computer verbindet), und die Macher von Shadowrun gaben sich auch sehr viel Mühe, verschiedene Programme für die Matrix anzugeben, jedoch sind die Regeln mißlungen. Meist sind die Proben, die ein Decker, wie die Computercowboys der Shadowrunwelt genannt werden, so schwer, daß sie eigentlich von einem normalen Spielercharakter gar nicht geschafft werden können, so daß man eigentlich recht schnell die Lust verliert, sich in die Matrix zu begeben. Dies ist eigentlich sehr schade, da die Verbindung von Mensch und Computer eigentlich einer der wichtigsten Bestandteile der Cyberpunkspiele ist. Hier sollte sich FASA oder auch ein Spieler mal was Besseres einfallen lassen.

Und wenn sich schon mal jemand Gedanken darüber macht, wie man die Matrixregeln verbessern könnte, wäre es auch sehr nett, wenn auch die Spieler die Möglichkeit bekommen würden, sich eigene Computersystem zu bauen. Dies fehlt in den Regeln nämlich leider vollständig.

Und was sagt man nun dazu?

Nun ja, Shadowrun ist ein nettes, größtenteils sehr spielbares Spielsystem, mit dem man sich die Zeit sehr gut vertreiben kann und für Leute, die von einem Fantasyspiel auf etwas SF-mäßiges umsteigen wollen, prima, wegen der "Verwandschaft", geeignet. Der einzige richtige Schwachpunkt sind die Regeln zur Matrix.

Wer jedoch "richtigen" Cyberpunk spielen möchte, ist mit diesem Spiel nicht am Besten beraten, da es eigentlich mehr eine Mischung ist. Es enthält eben Elemente aus dem Cyberpunk Genre und dem Fantasybereich, wodurch die dunkle Stimmung, die Cyberpunk ausmacht, etwas verloren geht. Die Welt von Shadowrun ist für mein Gefühl einfach noch zu sauber. Diese Schwachstelle kann jedoch mit Hilfe eines guten Spielleiters recht leicht wettgemacht werden.

Eine starke Seite von Shadowrun ist, daß es enorm viel Hintergrundmaterial dazu gibt. Es gibt Quellenbücher zu fast Allem, wenn man nur genug Geld dafür hat, jedoch reicht das Grundspiel, das als Softcover für ca. 65.- DM zu haben ist, voll und ganz aus, um eine Spielrunde aufzumachen... zumindest wenn man damit beginnt.

Eine weitere prima Sache an Shadowrun ist, daß es durch den deutschen FanPro- Verlag unterstützt und übersetzt wird, die schon ein Hintergundbuch für Deutschland, ein paar darin angesiedete Abenteuer und einen ersten Roman herausgebracht haben. Außerdem wurde von FanPro gerüchteweise ein spezielles Shadowrun- Magazin angekündigt.

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