in Anlehnung an ein altes Volksmärchen der Gebrüder Grimm, die nicht
alles schreiben durften.
Und der Prinz beugte sich über die Schlafende und küßte sie
auf die Wange. Die so vom Fluch der bösen Fee Erlöste seufzte tief,
schlug die Augen auf und sagte..........
"Bist du bescheuert? Mich einfach abzuknutschen und auch noch blöde
anzugrinsen! DAS ist ja wohl das Letzte!" schimpfte Dornröschen und
rieb sich die Augen.
"Ähm.." machte der Prinz geistreich und starrte verlegen auf
seine Stiefelspitzen. Irgendwie war die Situation dem prinzlichen Durchblick
entglitten. Sollte die Göre nicht dankbar für ihre Erlösung sein,
oder hatte er etwas falsch verstanden?
"Was fällt dir ein, mich aus meinem Schlaf zu reißen, du Vollidiot?!"
zeterte indes das Fräulein ungeniert weiter und erhob sich von ihrem Lager.
"Hier hat dich wirklich keine Sau herbestellt, Schmuddelprinz!" Allmählich
hatte der Jüngling das Gekeife satt und entgegnete beleidigt: "Haltet
die Luft an, schöne Frau! Ich kam voll der guten Absicht und in der Gewißheit,
eine gute Tat vollbringen zu können. Eure Befreiung vom Fluch der bösen
Hexe suchte ich zu erreichen und hoffte auf angemessene Entlohnung für
mein ehrbares Vorhaben. Aber alles, was ich erhalte, sind die kränkenden
Vorwürfe aus eurem wunderbaren Mund, meine Liebe."
"Ach, halt den Rand, Armleuchter," sagte Dornröschen mit vornehmer
Betonung und ließ sich wieder auf das Himmelbett sinken. "Das ist
ja wieder mal typisch Mann. Kaum glauben sie, daß es etwas zu holen und
leicht abzustauben gibt, umschwirren sie einen wie die Fliegen die Sch..."
"Schönes Fräulein!" fiel der Prinz ihr zügig ins Wort.
"Erklärt euch! Warum laßt ihr kein gutes Haar an eurem Befreier,
der weder den Kampf gegen die Dornen, noch den weiten Weg zu euch in den Turm
gescheut hat?!"
Das erboste Mädchen sprang auf, packte den Jüngling am Kragen und
donnerte ihn in ihrem Zorn an die Wand, daß das Schloß erbebte.
"Hör zu, Hohlkörper! Denn ich werde es nur einmal erklären."
Böse glänzten die rehbraunen Augen der Prinzessin. "Ich habe
mit der Fee damals um 1000 Dukaten gewettet, daß ich mindestens zweihundert
Jahre in diesem Turm schlafen kann, ohne daß irgendein Trottel vorbeigestiefelt
kommt und glaubt, mich wach machen zu müssen." Sie ließ den
verängstigten Befreier los, der zu Boden rutschte und fassungslos hocken
blieb. "Aber der Barde hat doch von eurem Leid geklagt. Und von eurem grausamen
Schicksal, in diesem...."
Sie winkte ab und schnaubte wütend. "Er hat 100 Dukaten dagegen gewettet
und hetzt gutgläubige Strohköpfe wie dich auf, hierher zu reisen."
Das Mädchen blickte aus dem Fenster des Turmes und kreischte entsetzt auf.
"Verflucht! Schau, was du gemacht hast! Die Dornen verwelken bereits und
die ersten erwachen aus dem Schlaf."
"Aber ich konnte doch nicht wissen, daß...." Sie wirbelte herum
und warf einen Blumentopf nach dem armen Kerl, der wirkungslos über dem
Prinzen zerschellte und ihn mit Erde beschmutzte. "Fall` tot um, Schwachkopf!
Du wirst mir auf der Stelle die Spindel zu deiner Rechten herüberreichen.
Das Ding zum zweiten Mal in meinen Finger zu rammen ist zwar schmerzlich, aber
der einzige Ausweg."
Der Jüngling stand umständlich auf und klopfte den Dreck von seiner
kostbaren Kleidung. "Aber was wird mein Vater, der König, und der
Hofstaat sagen? Ich habe versprochen, nur mit euch zurückzukeh-ren, edles
Fräulein. Und außerdem warten sie ganz in der Nähe, um mich
zu bejubeln. Ich habe nämlich noch nie in meinem Leben versagt, müßt
ihr wissen."
Dornröschen zuckte gelangweilt mit ihren hübschen Schultern und machte
ein teilnahmsloses Gesicht. "Dein Problem, Prinzlein. Hättest du keine
große Lippe geschwungen, gäbe es nun auch keine peinlichen Fragen
für dich." Das Mädchen legte sich erneut aufs Bett. "Würdest
du gefälligst deinen blaublütigen Hintern in Bewegung setzen und die
Spindel herbringen, Windbeutel!?"
Gleich einem geprügelten Hund schlich der Jüngling an Dornröschens
Lager und reichte ihr das spitze Spinnwerkzeug. "Ich warne euch, mein Fräulein.
Sobald ihr eingeschlafen seid, werde ich euch erneut küssen. Wenn es sein
muß, immer wieder, bis ihr aufgebt."
Die Prinzessin holte aus und versetzte dem Verblüfften einen Kinnhaken.
"Du wirst gar nichts, Weichei!" Der Prinz drehte sich um die eigene
Achse und fiel, steif wie ein Bügelbrett, zu Boden.
Nach einer Weile stemmte er sich ächzend und wimmernd wieder auf die wackligen
Beine, rieb sich das angeschwollene Kinn und taumelte zur Tür. "Schlaft
von mir aus, solange ihr wollt, edle Frau. Ich werde allen Prinzen in der Umgebung
sogleich eine Warnung vor euch zukommen lassen. Ihr seid ja eine Gefahr für
Leib und Leben der Besten im Land." Er spuckte ein bißchen Blut und
drei Zähne aus. "Seht nur, wie ihr mich zugerichtet habt."
Dornröschen öffnete die Nachttischschublade und zog drohend einen
Dolch hervor. "Hör auf, meine Ohren vollzujammern und schieß
in den Wind, Latrinengesicht. Oder dein Vater, der König, kann dich in
Tochter umbenennen" spottete sie und hob die Klinge. Schleunig lief der
Jüngling hinaus und nur knapp verfehlte ihn die geschleuderte Waffe des
Mädchens.
Seufzend stach sie sich mit der Spindel in den Finger und glitt in den süßen
Schlaf, dem sie zuvor von diesem Schwachsinnigen geraubt worden war. Sofort
begannen die Ranken zu wachsen, die Leute des Schlosses fielen in ihren Schlummer
zurück und die gewohnte Stille senkte sich auf das Anwesen herab.
Der enttäuschte und verschmähte Prinz bahnte sich seinen Weg zurück,
schlich an seinem Vater und dem Hofstaat vorbei und fuhr sein Lebtag zur See.
Dornröschen aber verlor die Lust am ewigen Herumliegen und ergab sich
beim nächsten Prinzen in ihr Schicksal. Mürrisch bezahlte sie der
Fee die 1000 Dukaten, die sie verloren hatte und vergaß auch den braven
Barden nicht, der immerhin mit 100 Münzen beteiligt war.
Und so lebte sie weniger glücklich mit ihrem Befreier bis an ihr
Ende
Markus H.
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