Die zweite Haut

Dean Koontz

Heyne 1994

510 Seiten, 14,90 DM

Marty Stillwater ist glücklich verheiratet, stolzer Vater zweier unmöglicher Kinder und auch sonst ein ganz gewöhnlicher Mensch. Ärger hat er bloß mit Reporterteams, die glauben, ihm als Krimiautor das Image eines gruseligen alten Kauzes anhängen zu müssen, der genauso mysteriös lebt, wie er schreibt. Als Marty plötzlich von kurzen Gedächtnislücken und scheinbar grundlosen Panikattacken geplagt wird, fällt er aus allen Wolken. Zuerst hält sich der Schriftsteller für krebskrank, dann kopfkrank... bis er plötzlich in seinem eigenen Hause einem bewaffneten Einbrecher gegenübersteht, der nicht nur den Computermonitor zerboxt und die Haustiere seiner Töchter zertrampelt hat, sondern Marty auch noch verdammt ähnlich sieht. Als der Krimiautor in einem Anfall von Notwehr beschließt, den Doppelgänger zu erschießen, weigert der sich beharrlich, zu sterben oder auch nur einfach am Tatort zurückzubleiben. Die Polizei glaubt Marty Stillwater natürlich kein Wort. Einfacher Fall: Ein Publicitytrick des Autors!

Aber der "Doppelgänger" existiert, und er will Martys Familie...

"Die zweite Haut" besteht aus den üblichen Inhaltsstoffen eines ganz, ganz typischen Koontz- Romans: coolen Kindern, den Un- Segen der Wissenschaft, morallosen Machtmenschen, Metamorphosen, armen Monstren und (ansatzweise) dem Eisernen -Viktor- Syndrom1, alles verquirlt zu einer leidlich spannenden, zwar ein wenig abgedroschenen, aber dafür reichlich gewalttätigen Story, in der so gut wie alles eine logische Erklärung findet. Zwei Worte: Echt Koontz.

Ziemlich nervig und damit überflüssig ist ein Großteil der letzten zwanzig Seiten2, nett ist hingegen der Showdown mit seiner einleuchtenden Lösung eines unmittelbaren Problems. Nett ist auch der Berufsmörder Alfie3, wenngleich Koontz' Kollege Straub das seelische Innenleben psychopathischer Killer verständlicher und schmerzhafter darzustellen pflegt. Für die Gaudi sorgen die Network- Leute mit ihrer unsäglichen Kabbelei4 und Marty Stillwater persönlich mit seinen Ansichten über die Presse, die ganz offensichtlich autobiographischer Natur sind... nur eines fehlt diesem Roman: ein Hund5. Und eingefleischte Koontz- Fetischisten werden dem Mann sogar diesen faux pas verzeihen!

Fazit: Gegen "Mitternacht" kann "Die Zweite Haut" selbstredend nicht anstinken, aber besser als die meisten von Koontz' Frühwerken ist dieser Roman allemal. Wer spannende, blutrünstige6 und nicht allzu anspruchsvolle Unterhaltung sucht, liegt mit "Die zweite Haut"gerade richtig. Davon abgesehen liefert dieses Buch einen verdammt guten Grund dafür, Kinder nicht alleine vor dem Fernsehgerät sitzen zu lassen...

P.S.: Hier noch ein Wort an den Übersetzer: Morgan Freeman ist und war noch immer ein Kerl.

1 Viktor ist der Hauptdarsteller in Koontz' erstem Roman "Hell's Gate"- ein Mann ohne Gedächtnis, der in bestimmten Situationen "ferngesteuert" wird... von dem, was er den "Eisernen Viktor" nennt. Dieser Kontrollverlust ist übrigens ein Motiv zahlreicher Koontz- Werke.

2 Ich sage nur: Man kann sich auch toterklären...

3 der wie eine ungesunde Mischung aus Killer und Monster in "Brandzeichen" wirkt, jawohl.

4 Besonders amüsant ist Clocker, der Mann, der - wenn überhaupt - nur in Rätseln spricht.

5 Ja, und zwar ein Golden Retriever.

6 Dean, Dean! Dabei behauptete dieser Mann einmal, nichts von Splatter zu halten!

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